Zwischen Recht und Religion: Kardinal Lehmann diskutiert in Mainz mit Orientalisten über den "Islam in Europa" Auf Geheiß des Papstes fand 1538 in Venedig die erste Koranverbrennung statt. Gedruckt hatte ihn ein Italiener namens Alessandro Paganini. Mit dem Buch verschwand auch der Mann; in den Annalen taucht sein Name nicht mehr auf.
Diese Anekdote berichtet der Theologe Hans Küng in seiner "Einführung in den Islam". Am Freitag widersprach der Semitismusforscher und Koran-Übersetzer Hartmut Bobzin: Er habe keine Belege für die Verbrennung finden können, wohl aber einen Hinweis auf Paganini.
Dieser sei in Persien zum Tode verurteilt worden, jedoch seien ihm allein die Hände abgehackt worden, das erkläre das jähe Abbrechen seiner Druckertätigkeit. Bobzin habe ein seltenes Exemplar dieser Ausgabe untersuchen können. Die Übersetzung sei "schrecklich falsch". Offenbar hatte Paganini beim Druck nur einen einzigen Vokal zur Verfügung: das "A".
Auch wenn das Arabische eine konsonantische Sprache sei, komme man in der Schriftform mit einem einzigen Vokal nicht aus. Der "Islam in Europa" - das Thema der prominent besetzten Podiumsdiskussion an der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur - ist offenbar seit seinen geschichtlichen Anfängen verstrickt in ein Netz aus Gerüchten, Missverständnissen und technischen Problemen.
Kardinal Lehmann zeigte sich zwar zunächst voller Hoffnung, dass ein Dialog entstehen könne, führte aber nicht genauer aus, wie. Stattdessen verwies er darauf, dass in Frankreich die gesellschaftliche Realität der Muslime immerhin eine Grundsatzdebatte ausgelöst habe.
Man habe eingesehen, dass das Laizitätsgesetz von 1905, das ein Jahrhundert lang die Trennung von Kirche und Staat regelte, nicht mehr ausreichte. Der Moderator Michael Stolleis, emeritierter Rechtshistoriker, hatte eingangs die Frage gestellt, wie sich Religionen in den Verfassungsrahmen säkularisierter Gesellschaften fügen.
Ein Grundsatzproblem, so Stolleis und Lehmann, sei die fehlende Organisiertheit des Islam. Daraus folge die Unmöglichkeit, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen. "Entweder", sagte Stolleis, "wir warten, bis der Islam Kirche geworden ist.
Oder wir verzichten auf das System der Körperschaft des öffentlichen Rechts." Weil beides ungangbare Wege seien, müsse man einen dritten finden, zwischen der deutschen Gesetzlichkeit und dem islamischen "Wildwuchs" (...)
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